Einen Toast, bitte…Die Praxis der politischen Kommunikation – Teil 2

10 Februar.2021 / 0 Kommentare

Text: Günter Encic

Was tun, wenn es eng wird?

Früher einmal war der Schinken-Käse-Toast eine beliebte Zwischenmahlzeit. Oben Toastbrot, unten Toastbrot, dazwischen eine – oft nur – hauchdünne Schicht mit Schinken und Käse. Kein Highlight. Erstaunlich, dass viele Politiker*innen auch jetzt noch zu einem Schinken-Käse-Toast greifen. Allerdings zu keinem kulinarischen, sondern einem verbalen. Und der schmeckt. Warum eigentlich?

Damit müssen Politiker*innen rechnen, wenn sie interviewt werden: Der Journalist/Die Journalistin stellt eine kritische Frage. Nun gibt es mehrere Möglichkeiten für die Politiker*innen:

Antwort verweigern – macht sich nicht wirklich gut.

Der Antwort ausweichen – dann wird vermutlich eine Nachfrage kommen, in der der Journalist das Ausweichen thematisiert. Macht sich auch nicht gut.

Bestätigen, dass die Kritik berechtigt ist – bringt den Politiker/die Politikerin in die Defensive. Das wollen die meisten – aus guten Gründen – nicht.

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Was bleibt also? Ein Toast.

Erste Toastbrot-Schicht:

Der Politiker/Die Politikerin positioniert sich, transportiert eine wichtige Kernbotschaft. Wenn die Botschaft sehr stark ist, vergisst das Publikum den Inhalt der Frage. Der Journalist allerdings nicht.

Also kommt danach die Schinken-Käse-Schicht. Der Politiker/Die Politikerin geht kurz auf die Kritik in der Frage ein. Damit verhindert er/sie die unangenehme Nachfrage. Die erste Toastbrot-Schicht hat aber die Kritik schon abgeschwächt, etwas nach hinten gerückt.

Wichtig ist aber noch die zweite Toastbrot-Schicht. Mit dem Eingehen auf die Kritik kann man ein Statement nicht beenden. Also kommt noch einmal die Kernbotschaft des Politikers/der Politikerin, meist in leicht abgeänderter Form, damit die Wiederholung nicht so auffällt.  Und schon ist man durch die kritische Phase durch.

Die nächste Frage kann kommen, der nächste Toast auch…

Jetzt werden Sie vermutlich sagen: Das ist ja keine echte Kommunikation mehr, kein echter Austausch von Informationen und Argumenten. Nein, eh nicht.

Denn Interviews sind Inszenierungen. Sowohl Interviewer*in als auch Politiker*in reden in Wirklichkeit – indirekt – zum Publikum. Das sind die Zielgruppen, bei denen die Botschaften ankommen müssen, nicht das Interview-Gegenüber.

Der Haustoast

Die Toast-Methode taucht übrigens auch im Corona-Impfung-Handbuch auf. Ingrid Brodnig hat es vor kurzem im Profil erwähnt. Da geht es um die Frage, wie man Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begegnen soll.

Wichtigste Regel – genau: Zuerst mit einem abgesicherten Faktum antworten (erste Toastbrot-Schicht).

Dann erst, genau, Schinken-Käse, auf die falsche Behauptung eingehen und sie unter Angabe von Informationsquellen korrigieren.

Und zum Schluss – zweite Toastbrotschicht – wieder mit Fakten aussteigen und sie betonen.

Sie merken schon, diese Methode ist auch im Alltag einsetzbar. Etwa, wenn man mit seiner eigenen Position in einer Diskussion wahrgenommen werden möchte. Wenn man in Verhandlungen den eigenen Standpunkt klar platzieren möchte und, und, und…

Aber bevor Sie es selbst ausprobieren: Genehmigen Sie sich einen Schinken-Käse-Toast. Er macht satt und ruft vielleicht sogar Kindheitserinnerungen ab.

Mahlzeit!