Die Praxis der politischen Kommunikation – Teil 1

28 März.2020 / 1 Kommentare

Lesen Sie auch das Kleingedruckte!

https://www.guenterencic.at/politische.kommunikation.1


Mit dem Kleingedruckten sind meist differenzierte Vertragsbedingungen im besten Juristendeutsch gemeint. „Verstehe ich nicht, lese ich auch gar nicht, zu mühsam“ – das trifft unsere Haltung wahrscheinlich ganz gut. 

Oft machen wir das auch so, wenn Politiker*innen uns etwas sagen. Wir hören nicht genau hin, wir lesen nicht genau – zu mühsam, zu uninteressant. Dabei gibt es kaum etwas Interessanteres. Ich werde versuchen, in diesem Beitrag und den nächsten Blogbeiträgen Ihr Interesse zu wecken. 

Mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit

Vorweg: In Teilen der Bevölkerung gibt es Angst davor, dass die Zahl der Asylwerber*innen wieder stark steigen könnte. Diese Angst ist ernst zu nehmen. Auch die politische Position, wonach wir kaum Asylwerber*innen mehr ins Land lassen sollten (auch ohne Corona – Krise), kann – innerhalb des menschen – und völkerrechtlichen Rahmens – vertreten werden. Man muss sie allerdings nicht teilen. 

Wir Bürger*innen möchten Politiker*innen ernst nehmen können – ungeachtet der Parteizugehörigkeit. Dazu gehört, dass Politiker*innen mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit arbeiten. Das tun viele – aber nicht alle. Ein Beispiel für die, die es derzeit nicht tun, sind die steirischen Freiheitlichen.

Das Corona – Asyl

Anlass für die politische Kontroverse ist die Reaktivierung der Bundesasylquartiere in Spital am Semmering und in Leoben. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagt, er müsse damit rechnen, dass auf Grund von Corona – Erkrankungen unter Asylwerber*innen Quartiere geschlossen werden müssen. Ebenso sei es notwendig, dass Asylwerber*innen in den Quartieren mehr Abstand halten. Deshalb sei mehr Platz notwendig. Als Reserve oder für die tatsächliche Nutzung. 

Dagegen zu opponieren, bedarf schon einer guten Begründung. Hannes Amesbauer (FPÖ) sagt in einer Presseaussendung (PA):

Konkret sollen laut Medienberichten 200 neue Asylanten in diesen Unterkünften untergebracht werden.“ 

Die Medien – diesmal nicht böse

Das ist an sich schon kurios, dass ein Politiker Medien zitiert, statt sich selbst zu erkundigen, wieviel Substanz hinter den Medienberichten steht. Aber Hannes Amesbauer ist da nicht allein. Es gibt unzählige Dringliche Anfragen im Landtag Steiermark (eingebracht von fast allen Parteien), die sich auf Medienberichte stützen. 

Medien zu zitieren, ist auch noch aus einem anderen Grund beliebt: Es scheint außer Streit gestellt – auch wenn man das Zitat aus dem Kontext reißt. Einige Medien haben tatsächlich über die beiden Bundesasylquartiere berichtet, allerdings auch klargestellt, dass es keine neuen Asylwerber*innen aus dem Ausland sein müssen, sondern hauptsächlich solche, die ohnedies schon in Österreich sind. Derzeit gibt es ja ohnehin quasi einen Asylstopp an den Grenzen.

Weiter mit dem Presseaussendungen der FPÖ Steiermark. Klubobmann Stefan Hermann schreibt am 23.3.2020:

Wir Freiheitliche warnen seit Monaten vor einer Wiederholung des Asylchaos des Jahres 2015.

Derzeit gibt es in Österreich laut Innenministerium 12 Asylansuchen pro Tag. Weniger als je zuvor. Diese Situation mit einer möglichen Wiederholung der Ereignisse aus dem Jahr 2015 zu vergleichen, heißt, die Fakten zu ignorieren. An politische Verantwortungslosigkeit grenzt die Formulierung

 „Der Zustrom an Migranten scheint wieder zu steigen“.

 Das heißt nämlich: Stefan Hermann weiß es gar nicht, es scheint ihm nur so. Beim Lesen entsteht allerdings der Eindruck: Da kommen massenhaft Asylwerber*innen nach Österreich. 

Besonders kurios ist eine PA des freiheitlichen Landtagsabgeordneten Marco Triller vom 25.3.2020:

 „FPÖ-Triller/Kunasek: „Mitten in Corona-Krise wird Asylquartier in Leoben wieder reaktiviert!“

Das könnte schon beinahe Stoff für das Kabarett sein, wenn es nicht so ernst wäre: Eben wegen der Corona – Krise wird das Asylquartier Leoben reaktiviert, nicht trotzdem. 

Wenn Politiker*innen kommunizieren, dann passiert das nicht einfach so. Da liegt ein Konzept zugrunde. Jede Partei beschäftigt eine Reihe von Expert*innen in politischer Kommunikation. Und das ist gut so. Denn Politik ist zu einem wesentlichen Teil auch Kommunikation über Medien. Nur so können Politiker*innen uns Bürger*innen auch erreichen. Politische Kommunikation über Medien unterliegt ganz bestimmten Gesetzen. Die Politik beherrscht diese Gesetze. Wir Bürger*innen sollten das auch. Deshalb werde ich in den nächsten Blogbeiträgen über politische Kommunikation schreiben, über die Gesetze, denen sie folgt, über die Wirkung. Und das nicht nur am Beispiel der Freiheitlichen, sondern aller Parteien. 

Bleiben Sie gesund!

Günter Encic 28.3.2020