Die Allzweckwaffe mit der langen Bank

2 März.2021 / 0 Kommentare

Eine Allzweckwaffe für die Krise?

Für Politiker*innen wäre das Leben einfach, könnten sie alles genau planen und beeinflussen. Geht aber nicht. Vieles kommt unerwartet auf sie zu, noch mehr entzieht sich ihrer direkten Einflussnahme. Und – ja natürlich, oft machen sie haarsträubende Fehler. In allen Fällen müssen sie in der Kommunikation rasch handeln, nach standardisierten Abläufen. Dann setzen sie die Wunderwaffe ein. Bekannt ist die Wunderwaffe unter verschiedenen Bezeichnungen: Taskforce, Maßnahmenpaket, Aktionsplan, Kommission, 10 Punkte – Programm …

Einfach auf die lange Bank schieben…

Nach einer Datenschutzpanne setzt die Bundesregierung eine Taskforce ein, um die Sicherheit aller öffentlichen Register zu prüfen (Mai 2020). Wissen Sie, was dabei herausgekommen ist? Eben. Keine Ahnung.

Im Februar 2020 setzt die Bundesregierung eine Taskforce ein, die Vorschläge für eine ökosoziale Steuerreform vorlegen soll. Wissen Sie, was dabei herausgekommen ist? Eben.

Bund und Bundesländer schnüren ein Corona-Maßnahmenpaket für den Tourismus. Wer hat überprüft, wie es gewirkt hat? Eben.

Nach dem Wirbel um die Abschiebung zweier in Österreich geborener Kinder setzt die Bundesregierung eine Kindeswohlkommission ein. Spricht noch irgendjemand über dieses Thema? Eben.

Wir sind die Macher

Überprüfen Sie einmal, wie die folgenden Sätze klingen:

„Wir schnüren ein Maßnahmenpaket.“

„Wir haben sofort eine Taskforce eingesetzt.“

„Wir werden in Kürze einen Aktionsplan vorlegen.“

Das klingt zupackend, aktiv. Das klingt, als ob man selbst am Steuer sitzt und die Richtung vorgeben kann. Selbst dann, wenn der Hut lichterloh brennt, wenn – wie die Deutschen sagen – die Kacke am Dampfen ist.

Das ist schon die erste Wirkung: Ist das Unheil noch so groß – die Politiker*innen wirken aktiv, offensiv. Und damit auch stark und handlungsmächtig. Das ist gut für das Image.

Aus den Augen – aus dem Sinn!

Die zweite Wirkung: Journalist*innen machen auch Fehler. Einer davon ist es, nicht konsequent an einer Sache dranzubleiben. Und – glauben Sie mir: Ich weiß, wovon ich schreibe. Eine Taskforce, die in drei Monaten ihre Arbeit erledigt haben soll, gerät leicht in Vergessenheit. Aber angenommen, man vergisst darauf doch nicht, dann ist die Causa, um die sich die Taskforce kümmert, oft schon längst abgekühlt und für den Journalismus weniger interessant.

Die Zeiten und die Themen ändern sich

Die dritte Wirkung: In der Regel ist ein Thema dann im öffentlichen und veröffentlichten Diskurs, wenn es durch das dominierende Metathema verstärkt wird.

Das lässt sich am Beispiel der FPÖ-Strategie schön veranschaulichen. Mit Beginn der Corona-Pandemie hat der Diskurs über die sog. Flüchtlinge massiv an Gewicht verloren. Mit dem Flüchtlingsthema war politisch nichts mehr zu holen. Also hat sich die Kommunikationsstrategie  der FPÖ dem nächsten Metathema, der Corona-Krise, angepasst. Jeder Protest gegen eine Corona-Maßnahme der Regierung hat plötzlich unheimlich viel Gewicht erhalten.

Das bedeutet also: Wenn ich ein Thema um einige Monate nach hinten verschieben kann – durch eine Taskforce, ein Maßnahmenpaket usw. -, dann habe ich die Chance, dass das Thema einfach nicht mehr so wichtig ist, weil ein anderes Metathema den öffentlichen Diskurs dominiert.

Reden ist Silber, Handeln ist Gold

Die Kommunikationsstrategie der Politiker*innen nimmt uns im Krisenalltag einen ziemlichen Druck: Etwas auf die lange Bank zu schieben, muss nicht unbedingt schlecht sein. Man muss sich nur zuerst als aktiv, zupackend und offensiv präsentieren. Dann arbeitet manchmal die Zeit für uns. Hoffentlich halt.

Über eines dürfen wir uns nicht hinwegtäuschen: Die Krise muss trotzdem bewältigt werden. Inhaltlich. Mit Sacharbeit. Und meist sofort. Die Zeit zum Durchatmen haben wir nur im öffentlichen Diskurs. Wenn wir nichts tun, haben wir die Krise gleich wieder im Haus.